Im Rahmen unserer Reiseserie: “WorringenPur unterwegs”
berichtet Manfred Schmidt von seiner
Reise zum Dach der Welt - Abenteuer Himalaya (Teil 1)
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Lodge-Trekking im Langtang Himal
Nepal, Land der Berge, Götter und Legenden. Es gibt wohl nur wenige Länder, die eine solche magische Anziehungskraft ausüben wie dieser Hindu-Staat. Die höchsten Berge der Erde machen es zu einer Art naturgegebenem Weltwunder. Ich bin seit gut einem Monat wieder zurück von der Lodge-Trekking im Langtang Himal und immer noch nicht so ganz angekommen. Facettenreiche Landschaften, freundliche Nepalesen; der Trek war einfach - trotz der Kälte, die wir hatten - unbeschreiblich schön. Ein Erlebnis der besonderen Art.


Dienstag, 12. Februar 2013, 22.05 Uhr (Ortszeit), Abflug von Frankfurt am Main nach Kathmandu in Nepal, wo der Volksstamm der Sherpas zu Füßen der höchsten Berge der Erde beheimat ist:
In Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate), die Umsteigeverbindung mit ETIHAD Airways nach Kathmandu, hatten sich am Mittwochmorgen Wolken zusammen gezogen, so dass ich zunächst dem Beispiel vieler Passagiere folgte - ich fand mich noch mit einem weiteren langweiligen, ermüdenden Flug über ca. 6 Stunden ab. Hin und wieder schaute ich jedoch neugierig aus dem Fenster. Unerwartet bot sich mir nach einiger Zeit ein überraschender Anblick, so dass ich unwillkürlich rief: „Seht nur, der Himalaya!“ Ich hatte den Himalaya - der Name entstammt der Sanskrit-Sprache, die sowohl die Grundlage aller nordindischen als auch mit wenigen Ausnahmen der meisten europäischen Sprachen darstellt, und „Wohnstätte des Schnees“ bedeutet - noch nie gesehen und dort war er, jedenfalls der Teil vom Hindukusch bis Nepal. Die Bergkette erstreckte sich in einer Entfernung von etwa 300 Kilometern über meinen gesamten Gesichtskreis. Zuerst verblüfften mich die regelmäßigen grauen und weißen Konturen, dann fand ich das Gebirgsmassiv überraschend klein. Aber was ist eine Höhe von 8.000 Metern, wenn man vom Flugzeug aus in die Ferne schauen kann? Die Bergriesen des Himalaya schrumpfen zu einem Nichts zusammen. Sie scheinen einer anderen Welt zu gehören. Man kann dieses Gebiet aus Eis und Schnee überfliegen oder mit einem Fernglas von den sicheren tiefer liegenden Berghängen betrachten. Die Gipfel bleiben jedoch fern, und das gilt in der Regel nicht nur für Trekker, sondern auch für Einheimische.


Mittwoch, 13.Februar 2013, 15.35 Uhr (Ortszeit), Flughafen Tribhuvan in Kathmandu: Ankunft von 10 Teilnehmern einer Lodge-Trekking-Gruppe des „DAV Summit Club“ im Langtang Himal. In der Ankunftshalle wartete bereits

ein Mitarbeiter des Veranstalters, der uns zum bereitstehenden Bus begleitete. Nach Verladen des Gepäcks führte unsere Fahrt direkt zum Hotel „Greenwich Village“ in Patan (1.300 m). Dort wurden wir von einem deutsch sprechenden, vom DAV ausgebildeten nepalesischen Trekkingführer begrüßt und über den Ablauf der folgenden Tagesetappen informiert. Diese waren so aufgebaut, dass man sich Schritt für Schritt an die Höhe gewöhnen würde. Modernste Sicherheitsausrüstung wie Satellitentelefon und eine höhenmedizinische Überdruckkammer standen im Bedarfsfall zur Verfügung.


Donnerstag, 14. Februar 2013: Der Busfahrer steuerte uns nach Syafrubesi (1.650 m), Ausgangsort unserer Trekking-Tour, ein Tamangdorf am Zusammenfluss von Langtang Khola und Bhote Koshi, ca. 60 Kilometer Luftlinie von Kathmandu entfernt. Eine Busfahrt von 7 Stunden, die so schnell von allen Teilnehmern nicht vergessen wird. Die Strecke führte hin und wieder über unbefestigte Straßen und war teilweise sehr spektakulär, wenn nicht gar atemberaubend - dies hätte auch einem Atheisten ein Stossgebet entlocken können. Mehrmals sah ich eine Stätte der Verwüstung, die erst vor wenigen Wochen durch einen Erdrutsch entstanden war. Felsblöcke, die sich gelöst hatten, zerstörten innerhalb weniger Minuten die Arbeit von Generationen. Die Serpentinen konnten nur mit den widerstandsfähigsten Fahrzeugen befahren werden. Zu Beginn war der Weg zwar holprig, aber einigermaßen eben. Später begann ich mich zu fragen, ob ich nicht besser im Hotel in Patan geblieben wäre. Die Straße war kaum breiter als der Bus selbst und stellenweise in die Felsen geschlagen, was sie zusätzlich rutschig und somit gefährlich machte. Kein Geländer schützte die Strecke vor dem bodenlosen Abgrund. Einige steile Kurven musste der Fahrer mit erheblicher Geschwindigkeit angehen, um den nötigen Schwung zur Durchfahrt zu gewinnen.. Der Bus fuhr scheinbar ins Leere, und erst in letzter Sekunde wurden die Räder herumgerissen, wobei man nur hoffen konnte, dass sie Halt finden und hinter der Kurve keine Ziegenherde wartete. Zusätzlich gab es aber auch Kehren, die so eng waren, dass man bis zum Rand des Abgrunds zurücksetzen musste, um sie zu bewältigen. Und wenn man einem bergab kommenden Fahrzeug begegnete, musste der Fahrer rückwärts fahren, bis er eine Stelle erreichte, wo die Straße etwas breiter war und sich die Fahrzeuge aneinander vorbeidrücken konnten. Wir waren schließlich alle erleichtert, dass unser Zielort unversehrt erreicht wurde. In der Lodge bezogen wir einfache Zimmer,

wo wir - wie auch an den folgenden Tagen - im eigenen Schlafsack übernachteten. Wir wurden aus der einheimischen „Sherpa-Küche“ verpflegt, serviert wurde das Nationalgericht der Nepalesen „daal bhaat tarkaari“ (mit zweifachem Nachschlag), bestehend aus Reis, Linsensoße (rote, gelbe, schwarze Linsen), Gemüse und Fleischcurry. Den Trekking-Führer abends zu befragen, wie viele tödliche Unfälle es hier schon gegeben hatte, ersparten wir uns jedoch.


Freitag, 15. Februar 2013: Frühmorgens übernahmen fünf Sherpa-Träger unser Gepäck (jeder über 40 kg). Sie schleppten unsere Gepäckstücke mit Hilfe von Bändern, die über die Stirn verliefen. An Kraft, Ausdauer und Gleichgewichtssinn der Träger, die im Himalaya-Bergmassiv vielerorts die Lastfahrzeuge ersetzen, werden auf Grund der immensen Lasten, die sie befördern, enorme Ansprüche gestellt. Das Langtang-Trekking startete nun, das uns bis ins Zentrum des Langtang-Nationalparks und später über den Laurebina-Pass (4.600 m) zu den Sherpas von Helambu führen sollte. Zunächst stiegen wir zum stattlichen Dorf Thulo Syabru (2.250 m) auf, wo Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Gerste und Hirse auf terrassenförmig angelegten Feldern gedeihen und sich erstmals die Gipfel von Langtang Himal und Ganesh Himal mit ihren gewaltigen Gletschern zeigten. Es folgte ein steiler Abstieg zum Fluss Langtang Khola, betraten jetzt den Langtang-Nationalpark und stiegen durch lockeren Bergwald, aus dem die Eisgipfel des Ganesh Himal emporragten, auf zum „Lama Hotel in Changtang (2.470 m). Bei bewölktem Wetter wurden 1.250 m in einem schwierigen Aufstieg und 450 m in einem kurzen schnellen Abstieg in 7 Stunden auf Bergpfaden und

Gletschermoränen bewältigt. Der erste Trekkingtag war für mich persönlich ein äußerst strapaziöser Beginn - ich rang nach Atem, mein Körper war überhitzt und schmerzte. Der Trekkingführer erläuterte später, ich hätte während der Bergwanderung nicht ausreichend Flüssigkeit (3 - 4 Liter pro Tag sind erforderlich) zu mir genommen, daher wäre bei mir eine „Austrocknung“ eingetreten.


Samstag, 16. Februar 2013: Unsere Trekkingtour führte heute bei herrlichem Sonnenschein entlang des Langtang Lirung (7.234 m) über ein Hochtal mit zahlreichen Yakweiden (Yak = Last- und Nutztier aus der Büffelfamilie) vorbei an langen „Manimauern“ (Felssteine, in die Gebete, religiöse Texte und Bilder gehauen sind, mit Botschaften an die Pilger) auf die Dorfsiedlung Langtang zu. Der Berggipfel des Langtang Lirung bot einen imposanten Anblick, als ich ihn erstmals genau betrachtete, eine unzugängliche stahlgraue und weißbetupfte Pyramide mit zerklüfteten Seiten. In der wunderbar klaren Luft ragte er nackt und drohend empor. Noch in 3.000 m Höhe konnte ich mit aufgekrempelten Hemdärmeln gehen. Nachmittags setzte allerdings heftiger und anhaltender Schneefall ein. Das Wetter ist unberechenbar. Manchmal brennen die Sonnenstrahlen so unbarmherzig durch die dünne Luft, und ihre Gewalt wird durch das Licht, das der Schnee zurückwirft, so sehr verstärkt, dass man einen ebenso schlimmen Sonnenbrand bekommen kann. In der Nacht wird man von polarer Kälte heimgesucht und kann Frostbeulen davontragen. Das Temperaturgefälle variiert in diesen Höhen erheblich. Nach einem Aufstieg von 1.050 m erreichten wir unsere Lodge (3.500

m), in den zugewiesenen Schlafräumen hatten wir eine Raumtemperatur von minus 2 Grad. Wir freuten uns auf einen heißen „chiya“ (schwarzen Tee mit Gewürzen, Milch und Zucker) sowie eine „thukpa“ (Eintopf aus Nudeln, Gemüse und Fleisch) und genossen den „verwischten“ Blick auf die Westflanke des Ganchenpo (6.387 m).


Sonntag, 17. Februar 2013: Unser Ziel war die Hochalm Kyanjin auf  3.900 m Höhe. „Manimauern“, Stupas (glockenförmige Kuppeln, die meist über buddhistische Reliquien gebaut werden), Chorten (kleine buddhistische Schreine) und Gebetsfahnen begleiteten uns auf dem Weg durch das karge Hochtal, in dem Wachholdergewächse, Heckenrosen und Berberitzen wachsen, dessen Beeren die Einheimischen als Medizin verwenden. Typisch für den oberen Grenzraum des Waldes im Himalaya sind herrliche Rhododendronarten. Sie gehören zu den Sträuchern, die am frühesten blühen, und entwickeln ihre Pracht von Februar bis April. Vom winzigen, teppichartigen Zwergrhododendron bis zum hohen Rhododendrenbaum gibt es sie in allen Größen. In Höhen zwischen 1.500 m und 3.000 m können sie ganze Wälder bilden und bis 20 Meter hoch werden. Darüber gedeihen nur noch Zwergsträucher, Zwergstauden, Flechten, Gräser und Moose. In den höchstgelegenen Wäldern wachsen die Himalayabirke und besonders widerstandsfähige Nadelbäume. Zottelige Yaks grasten unter den eisigen Flanken einer zunehmend alpiner werdenden Landschaft, die von hohen Bergen und gewaltigen Gletschern geprägt war. Mit Blick auf den 6.781 m hohen Kinshung erreichten wir über Moränen unsere Lodge in Kyanjin. Infolge des stärker werdenden Schneefalls war nachmittags eine Gipfel-Besteigung des Pushung (4.270 m), der uns einen fantastischen Blick auf die hohen Gipfel des Himalaya gegeben hätte, nur leider teilweise möglich. Die hier zahlreich vorhandenen Berghöhen übertreffen die Gipfel anderer Erdteile an Höhe und trotzdem haben viele von ihnen bis heute noch keinen Namen bekommen. Die größte Erhebung Westeuropas, der Montblanc, ist 4.807 m hoch. Die heutige Standardfrage in Gesprächen lautete  immer wieder: „Was macht dein Kopf?“ Die größte Bedrohung in dieser dünnen, sauerstoffarmen Luft geht von der Höhenkrankheit AMS (Acute Mountain Sickness) aus. Unter AMS soll mindestens ein Fünftel der Trekker und Bergsteiger leiden. Bis zu einem gewissen Grad kann man sich an sie gewöhnen, aber sie wirkt auf jeden anders. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Abgesehen von leichten Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit und Husten bei wenigen Teilnehmern der Trekking-Gruppe, traten keine besoneren Beschwerden auf. Die Raumtemperatur in unseren Schlafräumen betrug minus 8 Grad, es kostete mich große Willensanstrengung des Nachts aus dem Schlafsack zu steigen, um die „vereiste“ Toilette aufzusuchen. Trotz Thermounterwäsche, Pullover, Wollmütze und Halstuch froren einige in ihren Schlafsäcken.


Montag, 18. Februar 2013: Alles ist unter einem

dicken Schneemantel begraben. Begleitet von buddhistischen Gebetsfahnen und „Manimauern“ wanderten wir über bucklige Yakweiden wieder hinunter zurück zur kleinen Siedlung Ghodatabela (3.050 m) und dann zum „Lama Hotel in Changtang (2.470 m), die letzte Übernachtung im Langtang-Nationalpark. Die Sherpa-Träger, die unsere Ausrüstung schleppten, halfen uns vorweg Spuren zu setzen. Gleichwohl war der Schnee noch knöcheltief und die Schneeverwehungen kosteten viel Kraft. Meine zwei ausziehbaren Walking-Stöcke waren mir dabei eine große Hilfe. Auf diese Weise konnte ich mein Gewicht auf Beine und Arme verteilen.




Dienstag, 19. Februar 2013: Entlang des Flusses Langtang Khola ging es heute talwärts und über einen bissigen Gegenanstieg zur Lodge in Thulo Syabru (2.230 m).




Teil 2 dieser Erlebnisreise lesen Sie in Kürze auf WorringenPur!



WorringenPur.de/29.04.2013
Bericht und Fotos: Manfred Schmidt
Redakt. & digitale Bearbeitung: Matschkowski