Japan 2017 – Kansai und Tokio – Teil 1
Anreise, Nijo Castle, Nishiki Market, Gion District, Kyoto Tower
Fotos zum Vergrößern!

Japan, das “Land des Lächelns”. Das Mekka für Fans der Manga- und Anime-Szene, aber auch anderer Stilrichtungen wie Visual Kei und Lolita. Die Lehre von Ausgeglichenheit und innerem Frieden prallt hier auf überfüllte Straßen, Städte und Züge, auf emsige Arbeiter einem Ameisenstaat gleich.
Für viele stellt eine Reise in das ferne Land der Mythen und Sagen, die sich um die Edo-Zeit (japanisches Mittelalter) ranken, ein geldlich nicht zu bewältigendes Abenteuer dar. Tatsächlich lässt sich eine solche Reise, wie wir sie unternahmen, schon mit deutlich kleinerem Budget begehen, als man vorerst annimmt. Vorausgesetzt man traut sich den Urlaub gänzlich auf eigene Faust zu planen und ist dabei bereit die nötige Recherche und Zeit zu investieren. Zu fünft stürzten wir uns Ende Oktober 2017 ins Abenteuer Japan und erfüllten uns damit einen großen Traum. Im Folgenden finden sich neben unserem Erfahrungsbericht auch einige Tipps zur Reiseplanung.

Wer klug ist, der arrangiert sich einen Flug mit Startzeit zur Abendstunde in Deutschland, um in Japan ankommend die Möglichkeit zu haben sich zur passenden Ortszeit dort ins Bett zu bequemen. Der Zeitunterschied von Deutschland und Japan beträgt sieben Stunden. Mit einer Abflugszeit von 20:00 Uhr in Düsseldorf erreichen wir Tokio am Flughafen Narita um 14:00 Uhr nachmittags Ortszeit am Folgetag. 11 Stunden Flug gehen eben schneller vorüber, wenn die gewohnheitsbedingte Müdigkeit dem Reisenden ein paar Stunden Schlaf ermöglicht. Wenn man dann doch einmal kein Auge zu bekommt, bietet die russische Tundra aus dem Flugzeugfenster heraus einen atemberaubenden Anblick. Insbesondere zum Sonnenaufgang und in den frühen Morgenstunden wirkt die schneebedeckte Landschaft nahezu märchenhaft.
Unser Plan sieht vor eine Rundreise durch die Städte Kyoto, Osaka und Tokio zu unternehmen. Budgetbedingt kamen allerdings nur die Flughäfen in Tokio

Russische Tundra

Japanische Küste

als Start- und Endpunkt der Reise in Betracht. Am internationalen Flughafen Tokio Narita also angekommen mühen wir uns ab einen der Shuttlebusse zum nationalen Flughafen Tokio Haneda zu arrangieren, denn diesen Bus kann man nur vor Ort buchen. Vom Flughafen Haneda aus soll unser Anschlussflug nach Osaka starten. Wir schaffen die Einreise und Anmeldung in Tokio und den Flughafenwechsel innerhalb unseres Zeitfensters von vier Stunden und erreichen Osaka um 20:00 Uhr Ortszeit. Dort angekommen warten wir auf unser vorab gebuchtes Shuttletaxi nach Kyoto.
Eine unserer ersten Amtstaten ist es natürlich von dem schicken japanischen Papiergeld erst einmal aus einem der bunten Getränkeautomaten, die man schier an jeder Ecke findet, etwas für den körpereigenen Wasserhaushalt zu besorgen. Vorab ein wenig über die Identifizierung der enthaltenen Getränke informiert, ist es uns vor Ort auch möglich anhand der Bildchen Grünen Tee, Wasser, Limo und Coca Cola zu erkennen. Die kuriose Coca Cola Plus stellt sich schnell als Cola mit explosiver Extraladung an Kohlensäure heraus. Den gesamten Urlaub über können wir die Finger nicht mehr davon lassen.

Japan ist, wie zu erwarten, voll. Es wuselt überall und man muss darauf achten von den Massen nicht hinfort gespült zu werden, wenn man zum Beispiel ungünstig einer Zugladung Pendlern im Weg steht. Zu den späten Abendstunden am Dienstag jedoch stellt das kein Problem dar. Um etwa 22:00 Uhr erreichen wir unser Ferienhaus in Kyoto. Es regnet aus Strömen. Nachwehen vom Taifun, der zwei Tage zuvor in Japan gewütet hat, überschwemmen die nächtlichen, schmalen Straßen. Unsere Unterkunft ist nur fünf Minuten Fußweg vom Fushimi Inari-taisha gelegen. Dieser Schrein ist der berühmteste Schrein und Hauptschrein der shintoistischen Gottheit (in Japan werden diese Gottheiten "Kami" genannt) "Inari" in Japan. Wie unser Fahrer es schafft das Shuttletaxi durch die unmöglich schmalen Gassen zu manövrieren ist uns bis heute ein Rätsel. Autos sehen in Japan übrigens ganz witzig kastenförmig, fast wie Rechtecke aus, wenn es nicht gerade eine westliche Marke ist.

Getränkeautomat

Flughafen Osaka

Wir haben darüber gewitzelt, dass sie so platzsparender hintereinander parken können. Den Fahrer können wir davon überzeugen, dass er uns nicht bis direkt vor die Tür der Unterkunft fahren muss.
Wir finden das unscheinbare Häuschen nach einigen Minuten der Verwirrung ziemlich direkt am Anfang der Gasse, die von der Hauptstraße abzweigt. Vor allem im Dunkeln fällt es uns zunächst schwer anhand der Fassade zu unterscheiden, wo ein Haus aufhört und wo das nächste anfängt. Dass das Licht im Haus vom Vermieter netterweise angelassen worden war, führt zu nur noch mehr Verwirrung. Irgendwann sind wir aber sicher vor der richtigen Tür zu stehen. Über einen vom Vermieter durchgegebenen Zahlencode sollten wir in der Lage sein die Tür zu öffnen. Allerdings tun wir uns zuerst ein wenig schwer mit der Suche nach dem kleinen Tresor, der den Schlüssel zur Tür beinhalten soll. Wir finden ihn dann nach einigem Hin und Her über unseren Köpfen an der Vergitterung eines Fensters.
Die Eingabe des Codes gestaltet sich zunächst auch ein wenig schwerer als gedacht, letztendlich halten wir aber den Schlüssel in der Hand. Blöd nur, wenn man dann völlig übermüdet und längst bis auf die Haut durchnässt feststellt, dass die Tür zwei Schlüssellöcher hat. Das eine lässt sich wie gewohnt betätigen, bei dem anderen lässt sich der Schlüssel nicht drehen. Nach kurzem Rätseln, das bei den mittlerweile blank liegenden Nerven fast zu Kannibalismus führt, kommen wir auf die grandiose Idee den Schlüssel beim zweiten Schloss einfach in die andere Richtung zu drehen und siehe da: die Tür öffnet sich endlich.

Unterkunft
Erleichtert und ohne Verluste stürmen wir die Bude. Sofern möglich. Die Tür ist… man würde es hier vielleicht "schnuckelig" nennen; der größte Hahn im Korb muss den Kopf einziehen. Eindeutig auf das zu erwartende Mittelmaß zugeschnitten, bietet uns die Unterkunft einen kleinen, aber feinen Unterschlupf für die nächsten Tage. Der Eingang besteht aus einer betonierten Fläche von ca. einem Quadratmeter, dort wechselt man strikt zwischen Straßen- und Hausschuhen, dahinter folgt eine Stufe aus dunklem Holz und man steht in der Küche und dem Aufenthaltsraum. Der Eingangsbereich lässt sich mit einer Schiebetür verschließen. Rechts befindet sich eine Nische mit dem halsbrecherisch

Treppenabgang

Japanisches Badezimmer

steilen Treppenaufgang ins Obergeschoss, direkt gegenüber der Treppe mit nur einem halben Schritt Abstand die Tür zur Toilette, die in Japan immer vom Badezimmer getrennt ist. Die zweite Hälfte des Raumes in dem die Küche steht, bietet einen großen Esstisch an dem fünf Personen Platz finden und einen Fernseher.
Weiter geradeaus trennt eine Schiebetür das Badezimmer vom Aufenthaltsraum. Das Bad besteht aus einem hohen Fenster, hinter dem sich irrwitzigerweise direkt eine Hauswand befindet, einem kleinen Waschbecken mit Spiegel, einer Waschmaschine und einem Trockner. Links gelegen eine weitere Tür, diesmal eine Falttür. Dahinter ein kleiner, gefliester Raum mit einem Duschkopf und einer fast rechteckigen Badewanne in die man als normal großer Mensch mit angezogenen Beinen passen könnte. Am Rand der Wanne entdecken wir von außen einen undefinierbaren Schlitz. Später stellen wir fest, dass der Duschkopf so angebracht ist, dass man sich vor der Wanne duschen muss (richtig gelesen: nicht IN der Wanne), gerne auch indem man sich auf das bereitstehende Höckerchen setzt. Erst nachdem man den Dreck vom Körper gewaschen hat, soll man in die Wanne steigen. Dafür nämlich auch der Schlitz von außen am Wannenboden, das ist nämlich der Abfluss des Duschwassers.

Die Küche bietet uns einen Kühlschrank mit Tiefkühlfach, eine Mikrowelle, einen Wasserkocher, eine Spüle und eine Herdplatte. Bedienhinweise sind kryptisch mit japanischen Schriftzeichen vermerkt. Irgendwann schaffen wir es dann auch den Strom für die Küchenzeile einzuschalten. Die Toilette benötigt auf den ersten Blick übrigens auch einen Informationstechniker, wenn sie nicht gleich einen gewohnten Hebel zum Abziehen besitzt. Eine gute Nachricht für Frauen: Toiletten, die dem deutschen Stil nachempfunden sind, besitzen eigentlich immer beheizbare Klobrillen. Zum Glück ist die Bedienung der Toilette mit doch recht eindeutigen Abbildungen versehen. Toilettenpapier ist in Japan zwar einlagig, aber die SOS Rolle im Gepäck hätte sich ein jeder von uns sparen können. Entgegen der Behauptungen im Internet, gibt es nämlich tatsächlich überall Toilettenpapier (zumindest dort, wo wir Toiletten aufsuchen mussten). Ziemlich gut finden wir, dass nach dem Abziehen der Toilette ein kleiner Wasserhahn über dem Spülkasten Wasser zum Händewaschen ausspuckt, mit dem sich dann der Spülkasten für die nächste Spülung füllt.
Die Treppe hoch finden wir ein Zimmer vor, auf dessen Boden drei Tatami-Matten, die japanische Version der Matratzen ausgelegt sind, inklusive fertig bezogenes Bettzeug. Hinter den Kopfenden ist eine Fensterfront, die auf einen kleinen Balkon mit Tischchen und zwei Stühlen führt. Der Ausblick ermöglicht einen seltsam ansehnlichen Blick auf die Balkone der Nachbarn und deren Häuser hinweg. Durch eine Schiebetür getrennt liegt das zweite Schlafzimmer mit zwei Tatami-Matten und ebenfalls einem kleinen Balkon mit Wäscheständer. Der Ausblick hier beschränkt sich auf die Straße vor dem Haus. Es wirkt etwas urig, aber eben typisch japanisch und ganz einfach, genauso wie wir es haben wollten. Die Koffer lassen wir im Aufenthaltsraum stehen. Wir packen gar nicht erst aus, sondern bedienen uns tagtäglich am Gepäck. Um uns die Pendeleien zwischen den Städten bis Tokio zu erleichtern, haben wir uns zwei Koffer besorgt, die ineinander gestapelt werden können. Der kleinere ist hoch bepackt und wird bis nach Tokio zunächst in den größeren gestapelt. Auf dem Rückflug können wir dann alles bequem auf zwei Koffer verteilen, immerhin wollen wir ja auch shoppen gehen. So zumindest der Plan.

Verpflegung
Noch am gleichen Abend, es ist kurz vor Mitternacht am Dienstag, laufen wir durch die Sintflut vom nächtlichen Himmel zum 7-Eleven um die Ecke, einer von vier großen Ketten an Mischwarenläden in Japan. Man findet sie via Google Maps unter der Bezeichnung "Convenience Store" oder "Konbini" oder einfach indem man die Straße hinab läuft, denn sie stehen an praktisch jeder Ecke. Diese "Tante Emma Läden", wie wir das wohl bezeichnen würden, denn sie führen alles was das Herz begehrt, haben wirklich 24/7 geöffnet. "Oh Junge! 3 Uhr morgens, Zeit für 'nen Krabbenburger!", ist hier im Rahmen des Möglichen! Von Hygieneartikeln, über Süßigkeiten, Haushalsbedarf, Zeitschriften, Manga, NikumanTiefkühlwaren, Gerichten und Snacks für jede Tageszeit findet sich wirklich für jeden etwas. An der Kasse finden sich frisch bereitete, warme Speisen und Snacks wie Hotdogs, verschieden gefüllte Dampfbrötchen (Nikuman), frittiertes Gemüse oder Dango (süße Reisklößchen mit wahlweise Soße), man kann aber auch aus der Kühltheke fertig bereitete Gerichte wählen, zum Beispiel gebratene Nudeln oder Reistöpfe, Curry und vieles mehr und sie vom Personal vor Ort aufwärmen lassen.
Wir bedienen uns an diesem Abend an den vielen seltsamen Getränken, die wir zu identifizieren versuchen, nehmen uns natürlich stilles Wasser (Sprudelwasser findet man eher selten bis gar nicht) und Cola auf Vorrat mit und probieren uns durch das Sortiment an verzehrfertigen Gerichten. Darunter ein Curryteller, Nikuman aus der Theke bei der Kasse, Schinken-Käse-Crepes zum Aufwärmen in der Mikrowelle, ein paar Süßigkeiten, die wir schon vom Asiastore unseres Vertrauens kennen, Sushi und verschieden gefüllte Reisecken (Onigiri). Bezahlen funktioniert ganz gut, obwohl wir weder Japanisch sprechen, noch die Bedienung Deutsch oder Englisch. Es reicht einfach nett "Hallo!" zu sagen, man wird ebenfalls begrüßt und den Preis kann man dann von der Kasse ablesen. Der Pocketsprachreiseführer von Langenscheidt bietet bei Sonderwünschen eine super Unterstützung und Ergänzung. Wir dackeln also mit unseren hoch vollen Tüten wieder zum Haus zurück, kommen wieder nass dort an (die Schirme vermögen den vom Wind gestreuten Regen nur von oben abzuhalten), werfen uns in unsere Schlafbekleidung und testen uns durch unser Abendessen. Begeisterung macht sich breit, denn trotz der verhältnismäßig geringen Ausgaben schmeckt es uns wirklich gut. Viel weniger nach "Fertigfutter" wie man es in Deutschland bei vergleichbaren Produkten erwarten würde. Wir besprechen noch, was wir am nächsten Tag unternehmen wollen und machen uns dann auf in die Betten.

Erster Morgen
Unser erster Morgen in Japan beginnt entspannt. Wir haben viel vor, also schälen wir uns nach und nach aus den unverschämt bequemen Laken und verlassen die Tatami-Matten, die wir sehr schnell als überraschend angenehme Schlafunterlagen schätzen lernen. Das Erste was mir auffällt: es riecht ganz anders. Fremdartig halt. Nicht, wie der Besuch bei Freunden in einem anderen Haushalt. Es riecht nach anderen

Schlafzimmer Kyoto

Aussicht

Baustoffen und Materialien im Haus, nach schwerem, altem Holz. Ein wenig wie Omas alte Eichenholzmöbel, rustikal. Aber auch nach anderen Pflanzen, man merkt, dass man sich in fremder Umgebung befindet, man spürt es förmlich. Von draußen klingt die Müllabfuhr, die gefühlt den gesamten Tag über damit beschäftigt ist den Müll abzuholen, den die Nachbarn in die hauseigenen Container vor den Häusern verstauen. Im Haus riecht es ein wenig modrig, nicht unbedingt im negativen Sinne, aber die Luftfeuchtigkeit ist schon wirklich sehr hoch. In der Nacht haben wir festgestellt, dass es an den hölzernen Rahmen der Fensterfront zieht und ein paar der gestellten Handtücher davor gelegt. Die Fenster sind nass geschwitzt und wir sind froh, dass die Handtücher das herunter laufende Wasser aufgenommen haben. Das Bettzeug ist ein wenig klamm und im Haus ist es morgendlich kühl.
Am Treppenabgang zum Bad überlege ich kurz und entschließe mich dann rückwärts auf allen Vieren herunter zu gehen. Wie auf einer Leiter eben. Der Steigung und meinem morgendlich motorisch gestörten Körper möchte ich noch nicht trauen. Ich bin froh die Funktionen der Toilette schon am Vorabend ausprobiert zu haben, sodass ich zumindest darüber nicht auch noch rätseln muss. Hatte ich schon die beheizten Klobrillen erwähnt? Göttlich! Wir lassen die Heizkörper ein wenig laufen, damit es nicht ganz so kühl ist und ich finde mich währenddessen gut in dem kleinen Badezimmer zurecht. Das Leitungswasser ist übrigens gechlort. Das riecht man auch ein wenig, aber Waschen und Zähneputzen ist damit in Ordnung. Nach der anstrengenden Anreise genehmigen wir uns eine Dusche und ja, es ist verdammt komisch neben der Wanne zu stehen und gefühlt und gewollt das Bad unter Wasser zu setzen (der Zustand tritt ja durch den Abfluss nicht ein, aber seltsam ist es trotzdem). In weiser Voraussicht haben wir uns Haarkur und Spülung mitgenommen, da das gechlorte Wasser auf die Dauer nicht sehr gnädig zur Haarpracht ist.

Kyoto
Geplant sind für unseren ersten Tag in Kyoto eine kleine Rundreise innerhalb der Stadt, das Nijo Castle, der Nishiki Market, Gion District, und der Kyoto Tower. Frühstück haben wir keines im Haus, damit wollen wir uns beim 7-Eleven eindecken, den wir schon in der Nacht nach unserer Anreise geplündert haben. Das Wetter ist herrlich, um nicht zu sagen HERRLICH!! Von dem Regen in der Nacht, der uns beinahe weggespült hätte, keine Spur mehr (unsere durchnässte Kleidung versucht derweil im Haus noch immer irgendwie trocken zu werden).
Beim 7-Eleven entscheiden wir uns dazu ein paar der vielen kleinen seltsamen Fläschchen zu kaufen, die sich Energydrinks schimpfen. Mit Proviant im Schlepptau machen wir uns auf den Weg zur "Inari Station", der Bahnstation am Fushimi Inari-taisha. Noch ist die Straße leer und

Straße zur Inari-Station

Randkanal Kamo-River

Inari-Station

angenehm zu begehen. Die recht schmalen Bürgersteige sind von Buden und Shops gesäumt, die allesamt urig und ein wenig mystisch wirken. Klar, um die Ecke befindet sich immerhin ein großer Schrein, der auch Touristenmassen anlockt. Die Buden bieten in der Auslage Dango in verschiedenen Variationen an, eine Süßigkeit, die traditionell als Opfergabe an die Götter und Kami bei den Schreinen platziert oder verzehrt werden. Mitarashi Dango zählt beinahe täglich mit dem Sushi und den Onigiri zu meinem Proviant für den Tag. Nach einigen Metern treffen wir auf eine vollkommen überfüllte Kreuzung. Schulklassen (erkennbar an den typischen Schuluniformen, meistens sogar nach Mädchen und Jungen getrennt), Touristen, Einheimische und traditionell gekleidete Personen pilgern die Straße zum Fushimi Inari-taisha hoch. Wir huschen durch das Gewusel und überqueren zügig die Bahngleise über die sich mit einem befremdlichen Ton recht oft und schnell die Schranken schließen, um Züge durch zu lassen.
Zuvor haben wir uns sogenannte "Suica Cards" über das Internet besorgt. Diese funktionieren in bestimmten Regionen Japans, vor allem im Raum Kansai (Kyoto und Osaka) und Tokio. Sie funktionieren wie PrePaid Karten, man kann sie schon aufgeladen kaufen und immer wieder an den dafür vorgesehenen Schaltern in den meisten, vor allem großen Bahnstationen gegen Bargeldeinzahlung aufladen. Praktischerweise kann man das Layout sogar auf Englisch einstellen, sodass man eigentlich nichts verkehrt machen kann. Wir machen also das richtige Gleis aus (das klappt ganz wunderbar anhand der Beschilderungen und der Planung über Google Maps) und betreten den Bahnsteig über ein Drehkreuz, das man durch Einchecken der SuicaCard betätigt.
Unsere Bahn kommt recht schnell und pünktlich, die Züge fahren auch alle 10 Minuten, wenn nicht sogar alle 5 Minuten. Die Ansagen sind auf Japanisch, aber die Haltestellen werden auf Romaji angezeigt, also mit Buchstaben unseres gewohnten Alphabets und man kann die Haltestellen auch in der Durchsage heraushören. Aus dem Fenster genießen wir die unterschiedliche Landschaft, die an uns vorüber zieht. Übrigens haben wir uns vorab auch zwei Pocket Wifi gemietet und geteilt, damit wir unterwegs durchgehend Internetzugriff haben. Viele öffentliche Einrichtungen, Läden und Cafés bieten kostenloses WLAN an, allerdings ist dieses oft nicht sehr leistungsstark und wenn man von A nach B unterwegs ist ohnehin nicht sehr nützlich. Eines der Geräte hat einwandfrei funktioniert, mit dem anderen hatten wir immer wieder mal etwas Ärger.

Nijo Castle
Wir tingeln also zur Haltestelle Nijojo-Mae und haben beim Ausstieg eigentlich direkt das Nijo Castle vor Augen. Mitten in der Großstadt prangt ein Stück Edo-Zeit, ein Stück japanisches Mittelalter. Ein seltsamer Anblick, allerdings erblickt man über die hohen Gebäude und die Skyline Kyotos hinweg auch die Berge und die Natur, die diese Stadt umfließen. Irgendwo habe ich gelesen, dass es sich nicht ziemt Lebensmittel, die man in einem Supermarkt erworben hat, vor diesem auf der Straße zu verzehren. Also suchen wir uns ein Eckchen mit Bänken, wo auch andere Menschen ihr Frühstück oder Snacks verzehren und gönnen uns die nächste Ladung Sushi, Nikuman, Dango und Onigiri. Der Eintritt zum Schloss kostet 600 Yen für Erwachsene (350 Yen für Schüler), das sind umgerechnet etwa 5,00 €. Erste Sehenswürdigkeit ist das Kara-mon Gate, das reich verzierte Tor zum Inneren der Schlossanlage und des Gartens; das Tor, durch das einst hohe Würdenträger geleitet wurden.
Kyoto ist die ehemalige Hauptstadt Japans, die Burg Nijo (1601 angelegt) der Sitz des Shoguns gewesen. Wir betreten die Residenz, den "Ninomaru-Palast" an dessen Eingang man seine Straßenschuhe gegen Hausschlappen tauschen kann, oder den Rundweg auf Socken begeht. Leider ist es im Palast verboten Bilder und Filme aufzunehmen. Das wohl Beeindruckendste war für mich die Empfangshalle, in der der Shogun seine Gäste empfing. Die Wände sind mit Tigermalereien und Goldverzierung geschmückt, dazu stellen Puppen eine Szene nach, wie sie sich vor gut 400 Jahren wohl dort abgespielt haben mochte. Die Gemächer des Shogun sind von einem Rundweg aus Fluren umgeben, deren Böden bei jedem

Nijo Castle Eingang

Nijo Castle Karamon Gate

Nijo Castle Ninomaru-Palast

Schritt leise quietschen oder zirpen: Der "Nachtigallen-Flur", ist der Legende nach eine Sicherheitsvorkehrung, damit sich niemand unentdeckt dem Shogun nähern konnte. Bei den breiten Besuchermassen, die über die Flure wandern, klingt es beinahe wirklich wie ein Vogelkonzert im morgendlichen Wäldchen.
Wir verlassen den Palast wieder und betreten die Gartenanlage, deren Wiesen und Sträucher den Eindruck machen, als seien sie mit der Nagelschere zurechtgeschnitten worden. Ich habe selten so sehr das Gefühl gehabt durch ein Stück Geschichte zu spazieren wie hier. Es wirkt beinahe so, als wäre innerhalb der Burganlage die Zeit stehen geblieben, nur die Menschen, die haben sich irgendwie verändert.

Im Wassergraben um den Kern der Burg tummeln sich unzählige Koi-Karpfen. Nur wenige davon sind bunt, trotzdem geben sie ein beeindruckendes Bild ab. Wir erlauben uns den Spaß und ziehen eine Futterration aus einem Automaten, der ein Zettel beiliegt, den man am Ausgang gegen einen Liebesorakelspruch eintauschen kann. Fressen die Kois das Futter gierig weg, so soll das Glück für die Liebe bedeuten. Natürlich stürzen sich die Fische darauf, die nur darauf warten von Besuchern gefüttert zu werden. Einige Schritte weiter erreichen wir über steinerne Stufen ein Plateau, auf dem sich ein wunderschöner Ausblick über die gesamte Burganlage bietet. Auf dem Rückweg kommen wir an einem kleinen Café innerhalb der Anlage und dem Souvenirshop vorbei. Wir decken uns mit ein paar Kleinigkeiten und Postkarten ein und erstehen eine Flasche Sake. Den Orakelspruch holen wir natürlich auch noch ab. Die Botschaft bleibt allerdings geheim, sonst geht es nicht mehr in Erfüllung.

Nishiki Market
Vom Nijo Castle aus laufen wir zu Fuß zu unserem nächsten Ziel, dem Nishiki Market. Der Nishiki Market, das ist im Großen und Ganzen eine Einkaufsstraße, auf der hauptsächlich für die traditionelle, japanische Küche eingekauft werden kann. Sie erstreckt sich über eine Länge von etwa 5 Häuserblöcken (was ein gutes Stück Fußweg ist) und prasselt geballt auf alle Sinne ein. Die enge Straße ist größtenteils überdacht und wird rechts und links von allerlei bunten Shops, Ständen und Buden gesäumt. Wer sich für die kulinarische Seite Japans interessiert, sollte diesen Markt zumindest einmal besuchen. Uns wird schon ein ganzes Stück vor dem eigentlichen Eingang bewusst: das wird kuschelig. So kuschelig, dass wir eigentlich gar nicht genügend Zeit haben, uns alles in Ruhe anzusehen, denn die Massen bedrängen einen ziemlich und man wird eigentlich mehr geschoben, als dass man sich selbstständig fortbewegt. Das hat mir leider auch die Möglichkeit genommen anständige Bilder zu machen. Auffällig sind die vielen verschiedenen Gerüche. Die Buden bieten nahezu alles an, was die japanische Küche so hergibt. Von Zutaten, getrocknet oder frisch, Gewürzen und Tees über Sushi, Snacks, Miso Suppen, Ramen und Udon über frittierte

Nishiki Market Eingang

Nishiki Market Einkaufsallee

Leckereien, Süßigkeiten, Dango in allen Variationen, Mochi, Waffeln mit Matcha, bis hin zu Kuriositäten wie kleinen Oktopussen am Spieß und dem traditionellen, japanischen Grill, es ist wirklich alles dabei.
Es ist eng, es ist laut, wir kämpfen uns durch die Massen und versuchen möglichst viel zu sehen und einen Blick auf die hübsch präsentierten Waren zu erhaschen. Man will sich auch nicht allzu aufdringlich zwischen die Menschen quetschen, die gerade wirklich dabei sind für ihr Abendessen einzukaufen. Die verschiedenen Gerüche mischen sich und werden zu einem appetitanregenden Duft, bei dem man gar nicht weiß, auf was man gerade eigentlich Hunger hat. Wer diesen Markt betritt, dem wird klar, dass in Japan nicht nur die

Nishiki Market Matcha Latte

Nishiki Market Eingang zu einem Schrein

Einkaufsstraßen mit ihren riesigen Reklametafeln bunt sind, sondern sogar das Essen. Viele der Lebensmittel leuchten beinahe in den überraschendsten Farben. Bis dato wusste ich zum Beispiel gar nicht, dass es Möhren in fast allen Farben des Regenbogens gibt.
Auf etwa der Hälfte der Strecke schlagen wir uns in ein Café, das um die für Japan späte Stunde (es geht auf die 18 Uhr an) noch offen hat und genehmigen uns einen Matcha Latte Shake. Die Pause in dem leergefegten Lädchen ist dringend nötig. Sich in den Massen zu bewegen empfinde ich als schrecklich nervenaufreibend, ich bin in Deutschland schon nur ungerne in Ballungszentren unterwegs. In der Menge fallen uns auch immer wieder äußerst unangenehm offensichtlich westliche Touries auf, die sich selbst für unser Empfinden ziemlich daneben benehmen. Man könnte fast meinen, die Herrschaften wollten zum Ballermann und sind in den falschen Flieger gestiegen. Wir trinken also unsere Matcha Shakes zu Ende und beschließen dann einstimmig, dass wir genug vom Markt gesehen haben.
Die letzten paar Meter schlängeln wir zielstrebig und konstruktiv durch die Menge auf den Ausgang der Einkaufsmeile zu.
Wir sind immer wieder verwirrt von den plötzlichen Nischen, die sich inmitten des Getummels und den gequetschten Fassaden auftuen. Sie führen zu kleinen Schreinen, die man gerade in Kyoto auch überall und fast alle paar hundert Meter versteckt oder am Rand der Straße mitten in der Stadt findet. Wie der Eingang zum Kaninchenbau in "Alice im Wunderland" weicht der Asphalt dort plötzlich Lehmboden und Steinplatten, die zu kleinen hölzernen Schreinen führen. Bewacht von steinernen Statuen, meist Hunden, Tigern, Affen, in der Regel aber Füchsen werden diese in Hintergassen gelegenen, ruhigen Orte von wenig Beleuchtung in anmutendes Zwielicht getaucht. Räucherwerk erzeugt auch vom Geruch her das Gefühl, als beträte man eine fremde Welt, wenn man sich von der Hauptstraße aus in eine solche Gasse verirrt.

Gion District
Der Nishiki Market mündet im Prinzip direkt im Gion District. Das ist unser nächstes Ziel, das wir, während es bereits dämmert, anstreben. Gion DistrictDer Gion District ist in etwa eine Art Altstadt-Viertel Kyotos und ein Bezirk, in dem man häufiger mal traditionell gekleideten Geishas und Maiko über den Weg läuft. Die Häuschen und Buden sind beinahe alle aus Holz gefertigt und machen dabei einen sehr urigen Eindruck. Der Gion District ist Anlaufstelle für Interessenten traditioneller Handwerkskunst, die hier vermehrt angeboten wird.
Berühmt sind auch die vielen traditionellen Teehäuser, in die man einkehren kann. Wir besuchen das Viertel allerdings in den späten Abendstunden zu denen diese Geschäfte allesamt schon geschlossen sind. Ihren Zauber verlieren die hübschen und mystisch wirkenden Straßen allerdings nicht. Im Gegenteil. Die Beleuchtung taucht die Holzhäuser und Fassaden in Kerzenlicht und lässt die Schatten tanzen. Als wir eine kleine Holzbrücke überqueren und unter uns der Bach entlang der magisch beleuchteten Straße plätschert, habe ich kurz Gänsehaut. Für solche Momente bin ich nach Japan gekommen!

Wir schlendern langsam durch die Gassen und genießen die Stille und den Anblick, der sich uns bietet und steuern dabei allmählich die Bahnstation an, die uns zu unserem letzten Ziel an diesem Tag bringen wird. Den Kyoto Tower. Wer übrigens öfter mal einen Blick auf den Stadt- oder Umgebungsplan wirft, den man an Bahnhaltestellen findet, der sollte sich nicht erschrecken dort haufenweise "Hakenkreuze" vorzufinden. Nicht etwa wie traurigerweise in Deutschland oft genug als Schmierereien angebracht, nein, mit voller Absicht abgebildet. Wer aber genauer hinsieht, der wird erkennen, dass es einen Unterschied gibt. Das "Manji" zeigt mit den Schenkeln nämlich gegen den Umgebungskarte Kyoto mit Manji-ZeichenUhrzeigersinn, das "Hakenkreuz" wie wir es in Deutschland kennen geht mit den Schenkeln mit dem Uhrzeigersinn. Das "Sonnenrad", wie es allgemeinhin eigentlich bekannt ist, findet sich nämlich schon seit mehreren Jahrhunderten in Kulturen überall auf der Welt wieder. Das "Manji", wie es im Japanischen heißt, ziert seither buddhistische Tempel und markiert auf Karten deren Standort. Für viele Touristen wirkt das wohl aber so erschreckend, dass seit 2016 zur Diskussion steht die Manji von den Karten verschwinden zu lassen und zu ersetzen.
Wir tingeln mit der Bahn zwei Haltestellen weiter und treten einen kleinen Fußweg durchs abendliche Kyoto an, überqueren dabei den Kamo River und erblicken den erleuchteten Kyoto Tower schon in der Ferne, bevor wir uns kurz bei einem Konbini mit einigen Snacks stärken (und uns weiter durchs Süßigkeiten-Sortiment testen). Bereits jetzt sind wir nach den Keksen von der Marke Galbo süchtig, die mit Schokolade in verschiedenen Geschmacksrichtungen überzogen sind.

Kyoto Tower

Kyoto Tower Skylne

Kyoto Tower Ausssicht

Vor dem Eingang zum Kyoto Tower befindet sich die Kyoto Station, der Hauptbahnhof von Kyoto. Zu dieser Uhrzeit ist er überraschend weniger voll, als wir erwartet hätten. Um auf den Kyoto Tower zu gelangen muss man erst ein Einkaufszentrum betreten, das scheinbar Luxusgüter der kulinarischen Sorte anbietet. Auch hier kostet gucken nichts und wir lassen uns von den schmuck präsentierten Waren bestaunen und berieseln. Wer bereit ist anständig dafür zu zahlen, der kann auf dem Aussichtsdeck des Towers in einem Restaurant zu Abend oder Mittag essen. Wir waren allerdings mehr an der Aussicht interessiert.

Die Fahrt nach oben kostet 770 Yen, umgerechnet etwa 6,50 €. Durchaus lohnenswert für das, was sich einem dort oben bietet. Die Aussichtsplattform befindet sich auf 100 Metern Höhe und bietet einen wunderschönen Rundum-Ausblick auf Kyoto. Dort, wo man in der Ferne Randkanal Kamo-River bei Nachtbedeutende Bauten und Touristenziele ausfindig machen kann, sind Ferngläser aufgestellt, die man kostenfrei benutzen kann. Das nächtliche, ausgeleuchtete Kyoto ist von dort oben atemberaubend! Am Ende sind wir länger auf der Aussichtsplattform, als wir ursprünglich geplant hatten. Über die Kyoto Station gelangen wir dann recht schnell wieder zurück zur Inari Station. Auf dem Weg von der Bahnstation zum Haus kehren wir noch einmal im 7-Eleven ein, der ja rund um die Uhr geöffnet hat, und decken uns mit einem Abendessen und Getränken ein. Wieder in der Unterkunft angekommen sättigen wir uns, gehen die Tagesausgaben durch und planen den nächsten Tag. Grundsätzlich ist anzumerken, dass Lebensmittel, vor allem aus den Konbinis deutlich günstiger als in Deutschland sind. Besucht man Restaurants, die eben keinen Imbiss darstellen, wird es allerdings durchaus eine Ecke teurer. Essen ist in Japan gehobene Kultur und kostet entsprechend, wenn man ein Restaurant besucht. Günstigere Ausnahmen gibt es sicher auch hierbei.

Der nächste Bericht umfasst “Tag 2 in Kyoto”: Arashiyama Bambooforest, Romantic Train Tour, Kameoka & Kyoto Eisenbahnmodellbau-Ausstellung und Tag 3 in Kyoto: Fushimi Inari-taisha & Kiyomizu-dera Tempel.


WorringenPur.de/30.03.2020
Bericht & Fotos: Sarah Matschkowski
Redakt. & digit. Bearbeitung: Matschkowski