Klärschlammverbrennungsanlage:
„Hier wird nicht geplant – hier wird getrickst!“
Offener Brief der  „Umweltfreunde Köln Nord e.V. & Anwohner

Merkenich/Kölner Norden
Rechtliche Willkür statt ordnungsgemäßem Verfahren? Bezirksregierung und Planungsamt trickst mit §34 BauG – so die Meinung des Vereins Umweltfreunde Köln Nord e.V. (UFKN), der die Rechte der Anwohner vertritt. Er zeigt sich tief enttäuscht über die Art und Weise, wie der Erörterungstermin zum laufenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren der Firma KLAR GmbH durch die Bezirksregierung Köln durchgeführt wurde.

„Nach Einschätzung des Vereins war der Termin durch auffällige Oberflächlichkeit, wiederholte Zurückweisung substanzieller Einwendungen sowie durch einen insgesamt unangemessenen Umgangston gegenüber Bürgerinnen, Bürgern und sachverständigen Vertreterinnen des Vereins geprägt. Statt einer sachlichen Auseinandersetzung mit den vielfältigen Bedenken der Bevölkerung wurde das Verfahren in weiten Teilen als reine Formsache abgehandelt.

Nicht gesicherte Verkehrsführung
Wir haben gravierende inhaltliche Kritik an der geplanten Anlage vorgetragen – u. a. zur nicht gesicherten Verkehrsführung, zur fehlenden kumulativen Betrachtung von Emissionen in einem bereits stark vorbelasteten Industriegebiet sowie zur massiven Beeinträchtigung während der Bauphase für Reiter, Fahrradfahrer, Kinder und einen Sportplatz, auf dem täglich Kinder trainieren. Auf all diese Punkte wurde entweder gar nicht oder nur pauschal und ausweichend reagiert.

Mangelhafte Zugänglichkeit der Verfahrensunterlagen
Hinzu kommt die mangelhafte Zugänglichkeit der gesamten Verfahrensunterlagen. Trotz vorhandener technischer Möglichkeiten wurden Unterlagen bewusst ausschließlich in Papierform ausgelegt, um die Prüfung erheblich zu erschweren. Dieses Vorgehen widerspricht dem Anspruch auf gleichberechtigte und barrierefreie Bürgerbeteiligung in einem hochkomplexen Verfahren.

Eindruck der Zurückhaltung relevanter Infos
Es entsteht der Eindruck, dass unter dem Vorwand angeblicher Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse relevante Inhalte gezielt zurückgehalten wurden. Die Antragsunterlagen selbst enthalten jedoch die klare Aussage, dass keine Betriebsgeheimnisse vorliegen. Warum also dieser restriktive Umgang mit den Akten?

Kritik übt der Verein auch an der Verfahrensführung selbst. Der zuständige Dezernatsleiter hat sich mehrfach im Ton vergriffen, Einwendungen in provokanter Weise abgewertet und gegenüber sachkundigen Einwendern eine herabwürdigende Haltung eingenommen. Zahlreiche wesentliche Aspekte – auch solche, die aus Sicht des Umweltrechts relevant sind – wurden nicht behandelt, sondern pauschal als nicht verfahrensrelevant eingestuft.

Die Bezirksregierung Köln versucht offenbar, das immissionsrechtlich hochbrisante Bauvorhaben der sogenannten „KLAR“-Anlage durch eine juristische Hintertür zu legitimieren – mithilfe des § 34 BauGB, der eigentlich nur für Einzelfälle in unbeplanten Innenbereichen gilt, wo sich ein Vorhaben „einfügt“. Genau das ist in Merkenich jedoch nicht der Fall.
Anstelle eines regulären Bebauungsplans – wie er bei einem Projekt mit derart weitreichenden Auswirkungen auf Gesundheit, Verkehr und Umwelt zwingend erforderlich wäre – beruft man sich auf eine Norm, die nie für industrielle Großanlagen in bewohnten Gebieten gedacht war. Dabei wird vollständig ignoriert, dass das geplante Bauvorhaben direkt an Wohnbebauung, einen Jugendfußballplatz und ein Landschaftsschutzgebiet grenzt. Auch die ohnehin schon belastete Verkehrssituation mit Schulwegen, Rad- und Reitwegen sowie Engstellen wird im Rahmen der vereinfachten § 34-Anwendung nicht angemessen berücksichtigt.

„Das ist keine bauplanungsrechtliche Abwägung – das ist eine Täuschung der Öffentlichkeit unter dem Deckmantel geltenden Rechts. Die Bezirksregierung missbraucht § 34 BauGB, um sich aus der Verantwortung zu stehlen“, erklärt Sönke Walther vom Umweltfreunde Köln Nord e.V.
„Das Vorhaben darf auf Basis von § 34 BauGB niemals genehmigt werden. Es besteht eine klare Pflicht zur Gesamtplanung unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Alles andere ist rechtlich und moralisch ein Skandal“, ergänzt Helga Wagner, Vorsitzende des Vereins.
Der § 34 BauGB setzt voraus, dass sich ein Vorhaben „nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche“ in die nähere Umgebung einfügt. Dies ist hier eindeutig ausgeschlossen. Das Gelände ist derzeit überwiegend industriell-technisch genutzt. Das geplante Vorhaben bringt jedoch eine neue Kategorie von Emissionsquellen mit sich – in einem Umfeld, das überwiegend nicht-industriell geprägt ist. Kinder trainieren dort Fußball, Familien wohnen in direkter Nähe, und die Luft ist bereits jetzt überlastet.

Hier wird nicht geplant – hier wird getrickst. Und das auf dem Rücken der Menschen, die vor Ort leben und betroffen sein werden.

Besonders bedenklich erscheint der Umstand, dass bereits jetzt, trotz fehlender Genehmigung, Ausschreibungen mit konkreten Fristen kursieren – etwa zur Rücksendung von Angeboten bis zum 12.08.2025. Dies stellt aus Sicht des Vereins einen klaren Verstoß gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz dar. Nach § 10 Abs. 5 darf mit einem Vorhaben erst begonnen werden, wenn die Genehmigung rechtskräftig vorliegt. Ausschreibungen, die zu bindenden Verträgen führen können, noch vor Abschluss des Genehmigungsverfahrens, schaffen eine unzulässige Vorfestlegung.

Forderung des Vereins:
Wir werden mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen dieses Projekt vorgehen. Die Missachtung der Anwohnerinteressen, die Gefährdung von Mensch, Natur und Umwelt sowie die Intransparenz des gesamten Verfahrens sind nicht hinnehmbar. Wir fordern eine vollständige Neuausrichtung des Verfahrens. Sollte diese nicht erfolgen, behalten wir uns rechtliche Schritte und öffentlichkeitswirksame Protestaktionen ausdrücklich vor.

Unser Ziel ist eindeutig: Diese Anlage wird dort nicht gebaut.

Wir kämpfen dafür, dass die Interessen der betroffenen Menschen, die Lebensqualität im Kölner Norden und der Schutz sensibler Naturflächen endlich Vorrang vor wirtschaftlichen Einzelinteressen erhalten.“

Weitere Infos zur geplanten Klärschlammverbrennungsanlage in Köln-Merkenich finden Interessierte auf https://www.ufkn.de .

Über den Verein:
Der Verein Umweltfreunde Köln-Nord . setzt sich engagiert für den Umweltschutz und die Lebensqualität im Kölner Norden ein. Schwerpunktmäßig widmen wir uns derzeit zwei zentralen Themen:
Verhinderung der geplanten Müllverbrennungsanlage in Köln-Merkenich & Reduzierung der Flugemissionen über Köln.

1. Widerstand gegen die Müllverbrennungsanlage in Merkenich
Der Verein lehnt den Bau der Müllverbrennungsanlage entschieden ab, da er erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken für die Anwohner:innen sowie negative Auswirkungen auf das Klima befürchtet. Statt auf Verbrennung setzen die Umweltfreunde auf nachhaltige Alternativen wie Abfallvermeidung, Recycling und Kreislaufwirtschaft. Durch Kampagnen, Informationsveranstaltungen, Petitionen und die Zusammenarbeit mit anderen Initiativen mobilisieren sie öffentlichen Widerstand und fordern politische Entscheidungsträger:innen zum Umdenken auf.

2. Kampf gegen Fluglärm und -abgase
Ein weiterer Fokus liegt auf der Eindämmung des Fluglärms, der die Lebensqualität und Gesundheit der Kölner Bevölkerung beeinträchtigt. Der Verein setzt sich für strengere Lärmschutzmaßnahmen, die Verlagerung von Flugrouten, den Einsatz leiserer Technologien und konsequente Nachtflugverbote ein. Hierzu steht er im Dialog mit Behörden, Flughafenbetreibern und politischen Akteur:innen, um langfristige Lösungen zu erreichen.

Methoden und Engagement

Die Umweltfreunde Köln-Nord arbeiten basisorientiert und stärken durch Öffentlichkeitsarbeit, politische Lobbyarbeit und Bürgerbeteiligung das ökologische Bewusstsein in der Region. Der Verein lebt vom Engagement seiner Mitglieder, fördert die Vernetzung mit anderen Umweltgruppen und lädt alle Interessierten ein, sich an Aktionen und Projekten zu beteiligen.

Vision
Ihr Ziel ist ein nachhaltiges, gesundes und lebenswertes Köln, in dem Umweltschutz und Bürgerinteressen Vorrang vor kurzsichtigen Industrievorhaben haben. Mit Beharrlichkeit und Gemeinschaftsgeist kämpfen sie für eine Zukunft ohne schädliche Emissionen und Lärmbelastung. Mitmachen und unterstützen – für eine grünere Stadt


WorringenPur.de/31.07.2025
Text: Helga Wagner/ufkn.de/Heike Matschkowski
Redakt. & digit. Bearbeitung: Matschkowski