Protest vor dem Bezirksrathaus
Bürger demonstrieren gegen Einzäunung ihrer Rheinaue

Chorweiler/Worringen
„Wir wollen wieder an den Rhein!“, riefen die aufgebrachten Bürger, und damit meinen sie nicht den schmalen Werthweg, der flankiert von Zäunen bis kurz vor den Rhein führt. Mit selbst gestalteten Demo-Schildern und Trillerpfeifen ausgestattet, hatten sich Worringer, Bürger aus befreundeten Stadtteilen und Mitglieder des örtlichen Bürgervereins, unter Führung des Vorsitzenden Kaspar Dick, gemeinsam auf den Weg zum Bezirksrathaus Chorweiler gemacht, um auf der dort um 17 Uhr stattfindenden Sitzung auf diese Problematik aufmerksam zu machen, die sie wütend macht. Seit April ist quasi die gesamte Rheinaue von Worringen bis Langel –die bisher als Naherholungsgebiet genutzt wurde- durch Stacheldraht und Elektrodraht eingezäunt. Einzig der Werthweg ist für Spaziergänger bis kurz vor dem Rhein erlaubt zu begehen. Der zuvor seit Jahrhunderten genutzte Treidelpfad Richtung Langel ist ebenfalls gesperrt und auch die rechts und links vom Werthweg liegenden großen Weiden bleiben verwehrt. 31 Hektar wurden für 17 Rinder zur Verfügung gestellt, die von April bis Oktober dort grasen sollen. Die Fläche entspricht gewaltigen 310.000 m².

Um für die betroffenen Bürger dieses Problems Gehör zu erhalten, stellte Herr Inan Gökpinar (Fraktionsvorsitzender der SPD) für die Bezirksvertreter-Sitzung in Chorweiler kurzfristig einen Antrag auf „Aktuelle Stunde“. Fragen, die auf der Infoveranstaltung am 7. Mai Worringen nicht geklärt werden konnten, sollten hier nun beantwortet werden. In dieser „Aktuellen Stunde“ dürfen keine Gäste, sondern nur Politiker Fragen stellen. Während viele der Demonstranten sich mit ihren Demo-Schildern im Sitzungssaal platzieren konnten und vorbildlich –den Regeln der Sitzung entsprechend- den vorgebrachten Argumenten lauschten, bat Herr Gökpinar Herrn Dr. Joachim Bauer (stellvertretender Leiter des Amts für Landschaftspflege und Grünflächen) dringend zu überdenken, ob der derzeitige Zugang zum Rhein nicht nochmals geprüft werden könne. Der traditionell begehbare Treidelpfad müsse wieder geöffnet, die Versetzung der Zäune zugunsten einer breiteren Zugangsfläche in Betracht gezogen werden. Auch sei eine bessere Beschilderung von Nöten.


Stadtrat Jürgen Kircher (SPD), der an diesem Tag der BV-Sitzung ebenfalls beiwohnte, betonte eingangs dass man gegen jeglichen Vandalismus sei, der zurzeit an der Rheinaue praktiziert werde (wegen zerstörter Zäune mussten die Rinder umplatziert werden) und dies auch verurteile. Er forderte ebenfalls, dass das Jahrhunderte alte Recht auf freien Zugang zur Rheinaue nicht beschnitten werden dürfe. Zwar gelte es den Naturschutz aufrechtzuerhalten, jedoch unter Einbindung des Menschen. Er forderte die anwesenden Entscheidungsträger auf, eine gemeinsame Resolution aufzusetzen.

Elke Danke (SPD, stellvertretende Bezirksbürgermeisterin) erinnerte daran
, dass die nun anwesenden Bezirksvertreter in einem gemeinsamen Beschluss schon vor 4 Jahren gefordert hatten, dass der Treidelpfad geöffnet bleiben müsse. Auch sie unterstrich die Forderung die Zäune zurückzubauen, damit ein besserer Zugang gewährleistet wird.

Stadträtin Birgitta Nesseler-Komp (CDU) hat offensichtlich genau diese Lösungsansätze bereits am 9. Mai dem Umweltausschuss vorgelegt und Dr. Bauer unterbreitet, damit diese Alternativen auf der Sitzung der Bezirksvertreter beraten werden können (s. PM auf WPur). Auch Stadträtin Nesseler-Komp sprach sich gegen den Vandalismus aus. Oberste Priorität habe für sie aber gleichzeitig, dass das Begehen des Treidelpfads wieder möglich sein muss! Unsere Natur- und Landschaftsschutzgebiete in Worringen und Region seien ein sehr hohes Gut und gingen die ganze Stadt an. Infos müssen nach außen an die Bevölkerung getragen werden – möglicherweise durch Umweltscouts, die Führungen anbieten.

Aufhorchen ließ auch die Frage eines FDP-Mitglieds, wie schnell eine alternative Lösung oder bauliche Maßnahme ab Beschluss denn überhaupt umgesetzt werden könne?

„Wir haben den Schuss gehört!“, lautete Dr. Bauers Antwort, die sich wohl auch auf die Emotionen im Worringer Vereinshaus am 7. Mai bezog, als man die Bürger über vollendete Tatsachen informierte. Nun stelle er fest, dass offensichtlich für die Bürger wohl nicht die Beweidung das Problem sei, sondern wieviel Raum dann noch für den Erholungsnutzen übrig bleibe. Er stellte aber auch klar, dass erst einmal ein Kompromiss gefunden werden müsse, bevor er eine alternative Lösung und deren Dauer zu Umsetzung nennen könne.
Außerdem sei dieser Pflege- und Entwicklungsplan in der Bezirksvertretung bereits 2 x vorgelegt und letztlich auch beschlossen worden. Teilweise
seien die Beschlüsse damals angenommen worden und es gab auch keine Bürger, die zumindest durch ihren Besuch Interesse gezeigt hätten. Hierbei räumte Dr. Bauer allerdings auch ein, dass die Einzelheiten der Planung nicht mit den Bürgern besprochen worden sind.
Dies stimmt mit der Aussage der Politiker überein, dass die Tragweite der Beweidung mit großflächiger Einzäunung niemandem wirklich bewusst war. Da liegt der Verdacht nahe, dass dies das Ergebnis einer beabsichtigten Nichtinformation aller Betroffenen in Worringen durch Strassen.NRW ist. Denn auch der Redaktion WorringenPur wurde durch Landschaftswart Herbert Jansen im April ein Schreiben durch Strassen.NRW angekündigt, in dem die Details veröffentlicht werden sollten. Diese E-Mail kam jedoch weder beim Landschaftswart noch in unserer Redaktion, noch beim Bürgerverein jemals an! Absicht?
Herr Jansen zeigt sich darüber, wie auch die Redaktion WPur, zumindest sehr erstaunt, besonders da er Strassen.NRW schon vor Februar mehrmals um Zusendung detaillierter Dokumente gebeten hatte. Nun kann man darüber spekulieren, ob die Dokumente mit wichtigen Details absichtlich nicht von Strassen.NRW weitergeleitet wurden (was im April sowieso reichlich spät gewesen wäre) ODER, ob Worringen ganz einfach wieder vergessen wurde rechtzeitig zu informieren. Wir wissen nicht, was von beidem schlimmer ist!

Dr. Bauer jedenfalls führte in der BV-Sitzung weiter aus, dass das Grünflächen- und Umweltamt den Plan mit aufgestellt hätte. Neu sei aber, dass Straßen.NRW damals die Stadt Köln angesprochen habe, wo eine Ausgleichsmaßnahme für die Leverkusener Brücke möglich sei. Dr. Bauer betonte, dass die Entscheidung nicht bei diesen Dreien läge, sondern die Abstimmung mit der Bezirksregierung erfolgen muss. Die Zeichen der Bürger seien sehr eindeutig, und man habe sich schon ein paar Möglichkeiten überlegt, die Dr. Bauer an dieser Stelle aber noch nicht bekannt geben wollte.
„Dieses Naturschutzgebiet ist einzigartig in Köln!“, so Dr. Bauer. „Auch wenn wir dies alles hier bereits diskutiert und beschlossen hatten, werden wir eine Lösung finden.“ Auf Gökpinars Frage, ob man sich denn darauf verlassen könne, dass bis zur nächsten BV-Sitzung (27.06.2019) eine Lösung gefunden wird und auch der Worringer Bürgerverein eingebunden wird, antwortete Dr. Bauer, dass er bereits am Folgetag (17.05.2019) genau solch ein Gespräch mit dem Bürgerverein habe. Außerdem sagte Dr. Bauer zu, dass noch vor dem 27.06.2019 ein Gespräch mit der Bezirksvertretung Chorweiler stattfinden würde.
Zum Ende der „Aktuellen Stunde“ beschloss die Bezirksvertretung Chorweiler, dass man sich mit Dr. Bauer, den Bürgervereinen, den Vertretern von Grünflächenamt und dem Ausschuss Umwelt Grün sowie Ratsmitgliedern zu einem Interfraktionellen Gespräch treffen wolle, um zu einer Lösung zu gelangen.

Hinweis der Redaktion WorringenPur:
Das Ergebnis des Gesprächs vom 17. Mai zwischen Worringer Bürgerverein und Herrn Dr. Bauer lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Es dürfte aber sehr schwierig sein, die derzeitige bereits ausgeführte Einzäunung im Nachhinein zu korrigieren, insbesondere, da die Ausgleichsmaßnahme in der Rheinaue Worringen-Langel sehr teuer war und gemäß Kompensationsverordnung zu Naturschutzgebieten einem komplizierten Punkte-System der Bezirksregierung unterliegt, bei dem jede Reduzierung die erforderlichen Ökopunkte schrumpfen lässt und somit die rechtliche Wirksamkeit der hier erfolgten Ausgleichsmaßnahme in Frage stellt. Mit anderen Worten, jede Reduzierung muss im gleichen Gebiet an anderer Stelle aufgefangen werden. Daher ist es aus Sicht der Redaktion WorringenPur unwahrscheinlich, dass die Ausgleichsmaßnahme in Form einer kompletten Entfernung der Zäune geändert wird, wie es viele Bürger fordern.


WorringenPur.de/21.05.2019
Bericht & Fotos: Heike Matschkowski
Redakt. & digit. Bearbeitung: Matschkowski