100 Jahre Eingemeindung - Gedenkveranstaltung statt Feier
Warum die Worringer sich bis heute übergangen fühlen

Worringen/Kölner Norden
Nicht mehr und nicht weniger als eine schlichte Gedenkveranstaltung erinnerte am 17. September diesen Jahres die ca. 90 geladenen Gäste an die Eingemeindung Worringens zur Stadt Köln, die am 1. April vor 100 Jahren vollzogen wurde. Maßgeblicher Initiator dieser und anderer Eingemeindungen war der damalige Oberbürgermeister der Stadt Köln und spätere Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer (1876-1967).
Sein gleichnamiger Enkel, Konrad Adenauer, folgte am vergangenen Samstag der Einladung des Worringer Bürgervereins und des Heimatarchivs, die ein zweistündiges Rahmenprogramm gestaltet hatten. Dabei gehörte die Vorführung eines (die


v. li.: PR Weissenberg, Reinhard Zöllner, Bm Dr. Ralf Heinen und  Konrad Adenauer



hinten v. li.: Bernd Wirtz, Hans-Josef Heinz, Paul Junker (Darsteller im Film)

Eingemeindungsverhandlungen) persiflierenden Films ebenso dazu, wie auch der musikalisch hochwertige Auftritt des Ford Sinfonieorchesters, das in einer Abordnung für Kammermusik mit 9 Bläsern Festlichkeit im Raum aufkommen ließ, und somit ganz im Gegensatz zu den kritischen Reden stand, die noch folgen sollten.

Den Vormittag eröffnete Detlef Friesenhahn mit der Ankündigung des von der Kreissparkasse Köln mit finanzierten Films, deren Hauptdarsteller Hans-Josef Heinz (Worringer Bürgermeister Seul), Paul Junker (als OB Adenauer) und Bernd Wirtz (Bauer Pitterling) die Hintergründe der bis heute fragwürdigen Verhandlungen aufdeckten.
Im Anschluss begrüßte Kaspar Dick (Vorsitzender des Worringer Bürgervereins) die geladenen Gäste und bedankte sich bei den Unterstützern der Gedenkveranstaltung (Kreissparkasse, Volksbank, Currenta, Ineos, Bezirksvertretung Chorweiler). In seiner Begrüßungsrede gab es aber auch kritische Töne. In Worringen, ja im gesamten Kölner Norden, fühle man sich damals wie

heute von der Stadt Köln abgehängt und ausgenutzt.. „Die 100jährige Eingemeindung Worringens ist kein Grund gefeiert zu werden!“, so Dick. Das war möglicherweise  auch der Grund, warum dieser Tag auf eine Gedenkveranstaltung reduziert wurde.
Diese Botschaft hatte auch Dr. Ralf Heinen, Bürgermeister der Stadt Köln, vernommen, der anstelle der eingeladenen OB Henriette Reker, gekommen war, und die augenzwinkernde Kritik entgegen nahm. Trotzdem gelang es ihm in seiner Rede unparteiisch -weder für Köln noch für Worringen- aufzutreten und die kritische Stimmung im Saal heiter aufzulösen. Es folgte eine kurze Rede von Bezirksbürgermeister Reinhard Zöllner, der ebenfalls darauf hinwies, dass auch 100 Jahre nach Eingemeindung viel zu wenig für den Bezirk getan werde.

Offensichtlich sollte die Gedenkveranstaltung dafür genutzt werden, der Stadt Köln 100 Jahre nach Eingemeindung der „Bürgermeisterei Worringen“ in Erinnerung zu rufen, welche Versprechen bis heute nicht gehalten wurden und was man sich von der Stadt und benachbarter Industrie wünscht..

Am 1. April 1922 wurde Worringen, das damals als Bürgermeisterei 53 km² große Ländereien inklusive aller


Ford Symphonie Orchester

heutigen kleinen Stadtteile (Roggendorf/Thenhoven, Brüngesrath, Fühlingen, Weiler, Langel, Rheinkassel, Feldkassel, Kasselberg, Merkenich und weitere) beinhaltete, zur Stadt Köln eingemeindet, die damit ihre Fläche um ein Viertel ihres Stadtgebietes vergrößern konnte. Mit dem Abtritt großer Ländereien versprach man Worringen ein Teil der modernen Stadt Köln zu werden mit all ihren Vorteilen. Bis heute ist das Verhältnis des nördlichsten Stadtteils, zur Stadt Köln ein eher gereiztes. Schließlich erhielt Köln eine große Fläche zur Ansiedlung von Industrie und Gewerbe und bis in die Gegenwart die daraus resultierende Gewerbesteuer. Doch Gelder für vernünftige Projekte will man nicht in den Norden stecken. Viel mehr werden Großprojekte wie z.B. die Eingrenzung der Worringer Rheinaue, ohne die Meinung der breiten Bevölkerung einzuholen, verwirklicht oder eine Klärschlammverbrennungsanlage in Merkenich über die Köpfe Betroffener hinweg geplant, obwohl Umwelt und Mensch schon genug durch schlechte Luft belastet sind.

Der 2. Vorsitzende des heutigen Worringer Bürgervereins, Paul-Reiner Weissenberg, war nach eigenen Worten


v. li.: Matthias Klehr (KSK), Kaspar Dick (BV), Konrad Adenauer, Reinhard Zöllner (BzBm) Detlef Friesenhahn

ausgewählt worden, um am Gedenktag „Essig in den Wein“ zu schütten. Der Bürgerverein sei dafür da, um Entscheidungsträgern aufmüpfig auf den Füßen zu stehen, um die Zukunft Worringes mitgestalten zu können. So wies er in Anwesenheit hochrangiger Gäste u.a . einmal mehr auf die Nachteile hin, die die Eingemeindung aus Sicht des Bürgervereins mit sich gebracht habe. Und er stellte u. a. das Gerücht klar, dass nicht die Erlaubnis zum Rosenmontagszug im Vertrag positiv erwähnt sei, sondern die weitere Durchführung der Dorfkirmes.
Was ihm aber neuzeitlich besonders am Herzen lag, war der Wunsch, dass das örtliche Chemieunternehmen bei geplanten Großprojekten die Bürger frühzeitig ins Boot mitnehmen sollte, damit diese sich nicht „vom guten Nachbarn“ übergangen fühlen. Parallelen zur Eingemeindung? Die Eingemeindung vor 100 Jahren wurde ohne weitere Abstimmung mit der Bevölkerung und gegen zahlreiche kritische Stimmen vollzogen. Bis heute wurde das Versprechen Adenauers die Infrastruktur zu verbessern nur zum Teil und zögerlich eingelöst. Beste Beispiele: Die für 2024 anvisierte Sanierung der Alte Straße hat schon längst einen grauen Bart, die Verbindungen zur Stadt sind kompliziert und unzuverlässig. Oft umgeht die Bahn die Haltestellen Worringen oder Blumenberg, weil sie Verspätungen reinholen muss. Es fehlen Lösungsansätze im Bereich Schulen und Bildungseinrichtungen, die Vernachlässigung öffentlicher städtischer Einrichtungen wie das Vereinshaus, die Sportanlagen, der Krebelshof, es gäbe vieles aufzuzählen.


Detlef Friesenhahn (BV) und
Konrad Adenauer

Nach Weissenbergs Rede folgte ein launiges Gespräch zwischen BV-Vorstandsmitglied Detlef Friesenhahn und Konrad Adenauer, dem Enkel des gleichnamigen damals amtierenden Oberbürgermeisters und späteren Bundeskanzlers. Hierbei gab es Einblicke in die Familie Adenauer, die zum Schmunzeln veranlassten und ein Fazit: OB Dr. Konrad Adenauer hatte einen Wunsch, nämlich Köln richtig groß werden zu lassen. Das ist ihm wohl gelungen.

Am Rande der Veranstaltung verriet Konrad Adenauer der Redaktion WorringenPur, dass er 1945 geboren wurde, 35 Jahre als Notar -später als Rechtsanwalt- gearbeitet hat, 5 Jahre im Stadtrat war, Vorsitzender des Grundbuchvereins und sehr historisch interessiert ist, drei in Hackenbroich geborene Kinder hat und mit seiner Ehefrau in Köln-Lindenthal lebt. Beide fahren gerne mal mit ihren E-Fahrrädern durch Worringen, allein der Landschaft wegen.


Hinweis:
Anlässlich der Eingemeindung der Bürgermeisterei Worringen nach Köln findet noch bis 30.09.2022 eine Ausstellung in den Räumlichkeiten der Kreissparkasse statt.




WorringenPur.de/23.09.2022
Bericht & Fotos: Heike Matschkowski
Redakt. & digit. Bearbeitung: Matschkowski