Das Heimatarchiv berichtet
über „Wahlen anno dazumal“ und Pfarrer Joseph Elkemann

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen steht vor Neuwahlen. Am 14. März 2012 versagten die Abgeordneten der Parteien von CDU, FDP und Linke im Parlament der „Rot-Grünen-Minderheitsregierung“ die Bewilligung der zweiten Lesung des Etats 2012. Der Landtag stimmte danach für die Selbstauflösung. Der Termin für die Neuwahl ist zum 13. Mai 2012 festgelegt worden.

Wahlen sind seit 1946 ein Kernelement repräsentativer Demokratie und ein wesentliches Instrument für alle Bürger, Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen. Die Abgeordneten werden in allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und freier Wahl gewählt. Jeder Bürger  ist grundsätzlich berechtigt, an der Wahl teilzunehmen. Jede Stimme hat das gleiche Gewicht - unabhängig des Geschlechts und Vermögens. Die Wähler stimmen direkt ab. Es gibt kein zwischengeschaltetes Gremium, das dann die Wahl vornimmt. Die Stimme wird nicht öffentlich Wahlplakate und Stimmzettelabgegeben, sondern in Wahlkabinen. So wird gewährleistet, dass nicht nachprüfbar ist, wie der Einzelne gewählt hat. Die Wähler treffen ihre Entscheidungen selbst und unterliegen dabei keinem Zwang und der Weisung einer anderen Person oder Stelle.
Welche verfassungsmäßige Rechtsgleichheit hatte die Bevölkerung in Worringen im 19. Jahrhundert sowie Anfang des 20. Jahrhunderts unter preußischer Herrschaft?

Nachdem die linksrheinischen Gebiete und somit auch die Bürgermeisterei Worringen 1815 zu Preußen gekommen waren, wurde die in der Praxis bewährte französische Kommunalordnung bis zur Provinzialverfassung von 1823 beibehalten. Die nun geltende Verfassung hatte allerdings wie bisher feudalen Charakter und widersprach daher dem rheinischen Ideal der Rechtsgleichheit und des allgemeinen Staatsbürgertums. Schon 1826 zeigten sich erste oppositionelle Strömungen, die jede Wiedereinführung alter Zustände zu verhindern suchten.

Nach der Gemeindeordnung für die Rheinprovinz vom 23. Juli 1845 ernannte der König den Bürgermeister auf Lebenszeit. Am 11. März 1850 wurde diese Gemeindeordnung geändert, wonach der Gemeinderat den Bürgermeister auf 12 Jahre wählte. Dieses Gremium wurde dabei erstmals nach den Grundsätzen des „Dreiklassenwahlrechts“ gewählt.

Das angewandte „Dreiklassenwahlrecht“ begünstigte bei der Gewichtung der Stimmen in extremer Weise die vermögende Oberschicht. Die vermögenden Steuerzahler, die mit einem Drittel zum Steueraufkommen der Gemeinde beitrugen, wählten mit ihren Stimmen auch ein Drittel der Abgeordneten, d.h. die Wähler der ersten Abteilung verfügten über das gleiche Stimmgewicht wie die vielen Stimmberechtigten in der dritten Abteilung. Frauen und diejenigen, die weniger Klassensteuer zahlten, hatten kein Stimmrecht. Dieses indirekte, heterogene preußische Wahlverfahren mit drei nach der Höhe der Steuern eingeteilten Gruppen von Urwählern löste demzufolge bei der Bevölkerung zwiespältige Empfindungen aus. Demonstranten forderten allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlen.

Initiatoren der Bewegung (wie Ferdinand  Lassalle, Friedrich Engels und Hermann Becker) kamen mehrfach nach Worringen und trafen sich im Jahre 1848 in der Wirtschaft „Am Türmchen“. Volksversammlungen, zu denen rund 8.000 Demonstranten erschienen, fanden auf den Rheinwiesen hinter dem Damm statt.

Ein Gegenredner des „Dreiklassenwahlrechts“ war zu damaliger Zeit gleichfalls Peter Joseph Elkemann (geb. 8. Dezember 1805 in Köln), der Pfarrer Elkemannals Pfarrer am 30. Juli 1845 die Pfarrei von Worringen übernahm. Er begegnete mit großem Interesse den neuesten wissenschaftlichen Fortschritten der anbrechenden Neuzeit und verfolgte mit kritischem Auge die politische Entwicklung in Deutschland und Europa nach den revolutionären Bewegungen des Jahres 1848 sowie des beginnenden Industriezeitalters. Peter Joseph Elkemann wurde im Jahre 1848 für die Zentrumsfraktion, der Vorläuferin der Zentrumspartei, in die preußische Volksvertretung gewählt und setzte sich als Abgeordneter konsequent und mit großem Einsatz für die Erlangung der Freiheit des Volkes ein, vor allem für die Presse- und Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit der Vereinsgründungen, also der Grundrechte, die den Menschen von der Allgewalt des Staates unabhängig machen sollten. Der Konflikt mit seinem Erzbischof Johannes von Geissel veranlasste Peter Joseph Elkemann, den politischen Auftrag durch Aufkündigung seiner parlamentarischen Arbeit zurückzugeben, und sich mit größerem Eifer seiner Pfarrei in Worringen zu widmen. Als 65jähriger stellte er sich abermals dem Votum der Wähler und wurde ins preußische Abgeordnetenhaus gewählt. Peter Joseph Elkemann starb am 8. Dezember 1874 im Alter von 69 Jahren. Er wurde auf dem Worringer Friedhof am Hochkreuz bestattet.

Am 30. April 1983 ist er von der Stadt Köln posthum geehrt worden, dessen Wirken mit Worringen in engem Zusammenhang stand. Die Bezirksvertretung des Stadtbezirks Chorweiler hat am Pfarrhaus St. Pankratius eine Gedenktafel für den bedeutendsten Pfarrer in Worringen im 19. Jahrhundert anbringen lassen.

Die 1850 abgeänderte preußische Verfassung blieb bis 1918 gültig. Das Parlament des preußischen Abgeordnetenhauses bestand aus zwei Häusern. Im Herrenhaus (seit 1854) hatte der grundbesitzende Adel, im Abgeordnetenhaus vor allem das Besitzbürgertum die Mehrheit.

Am 5. Oktober 1919 konnten alle Kölner erstmalig die Stadtverordneten nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht wählen. Das Wahlalter wurde auf 20 Jahre gesenkt; erstmals durften auch Frauen an der Wahl teilnehmen. Dadurch stieg die Zahl der Wahlberechtigten.


Literaturquellen
Carl Dietmar: „Die Chronik Kölns“, Dortmund 1991
Toni Jägers: „Köln-Worringen in Geschichte und Geschichten“, Köln 1985
Konrad Schilling: „Quellen zur Geschichte Kölns in der Neuzeit von 1794 bis 1918“, Köln 1960


WorringenPur.de/07.05.2012
Bericht: Manfred Schmidt
www.heimatarchiv-worringen.de
Redakt. & digit. Bearbeitung:
Matschkowski